Wir finden Wege!
Birgitt Mederer, Pädagogische Leiterin, über die Arbeit in den heilpädagogischen und therapeutischen Wohngruppen
Eine zentrale Aufgabe unserer heilpädagogischen und therapeutischen Gruppen besteht darin, die uns anvertrauten Kinder und Jugendlichen durch äußeren Halt, Sicherheit und Annahme zu stützen, damit sie inneren Halt und Orientierung entwickeln oder festigen können. Kinder und Jugendliche, die innerlich geordnet sind, spüren die eigene Kraft und sind zufrieden. Sie können sich den anfallenden Aufgaben stellen und sind fähig, aktiv zur Gemeinschaft beizutragen. Es gelingt ihnen, offen auf andere Menschen zuzugehen, weil sie es nicht nötig haben, sich selbst zu schützen.
Von diesem Leitgedanken sind die Kinder und Jugendlichen, die in unsere heilpädagogischen oder therapeutischen Gruppen aufgenommen werden, sehr oft weit entfernt. Trennung und Scheidung der Eltern, häufig wechselnde Bezugspersonen, belastete, kranke oder überforderte Erwachsene, Krisen, Enttäuschungen, Vertrauensbrüche und nicht ausreichend erfüllte Grundbedürfnisse können Gründe dafür sein, warum sie bisher keinen oder zu wenig „Inneren Halt“ entwickeln konnten. Diesen Kindern fehlt es an Vertrauen und Offenheit und nicht selten werden sie wegen ihrer Verschlossen- oder Schüchternheit abgelehnt und ausgegrenzt und machen auch in der Schule oder im Freundeskreis die bittere Erfahrung, nicht liebenswert zu sein.
Wachsen Kinder mit Kritik, Hass und Spott auf, lernen sie zu verurteilen, zu kämpfen oder scheu zu sein.
Auf den Mangel an Akzeptanz reagieren die Kinder und Jugendlichen mit unterschiedlichem Verhalten. Die einen ziehen sich zurück, werden depressiv und/oder fallen durch selbstverletzendes Verhalten auf und andere zeigen ihrer Umwelt oppositionelles und aggressives Verhalten. Gemeinsam aber haben alle ein sehr geringes Vertrauen in Erwachsene. Eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Erziehungsberechtigen ist ein wichtiger Baustein zum Gelingen einer Maßnahme. Die Eltern sind die Experten ihrer Kinder und bleiben es. In regelmäßigen Elterngesprächen werden Bedürfnisse und Wünsche aller erarbeitet und Rahmenbedingungen geschaffen, die eine Übertragung der in der Gruppe erlernten Fähigkeiten in die Familie ermöglichen und den Umgang miteinander optimieren. Die Teilnahme der Familie an Veranstaltungen der Gruppe signalisiert dem Kind/Jugendlichen, dass sie ihren Erziehungsberechtigten wichtig und wertvoll sind.
Wachsen Kinder mit Lob und Anerkennung auf, lernen sie dankbar zu sein und sich selbst zu schätzen.
Im Mittelpunkt des heilpädagogischen Handelns steht die Beziehung zwischen dem Kind oder Jugendlichen und den Pädagogen. „Nicht gegen den Fehler, sondern für das Fehlende“ (Paul Moor) ist nicht nur eine Handlungsoption, sondern einer der wichtigsten Grundsätze der Heilpädagogik. Eine wichtige Frage ist deshalb: „Was braucht ein Kind/Jugendlicher, was fehlt, um sich anders verhalten zu können?
Wachsen Kinder mit Freundlichkeit auf, lernen sie, die Welt zu lieben.
Zunächst gilt es, das Kind/den Jugendlichen so anzunehmen, wie es/er ist. Wir müssen die Kinder und Jugendlichen erst einmal verstehen, bevor wir sie erziehen.
Erst wenn wir verstehen, können wir uns gemeinsam mit dem Kind/Jugendlichen auf die Suche nach Verhaltensalternativen machen. Jedes Verhalten verfolgt einen positiven Zweck, das gilt besonders für Kinder und Jugendliche mit herausforderndem Verhalten. Niemand kann das Verhalten eines anderen verändern, das kann nur der Betreffende selbst. In diesem Wissen sehen wir uns in der Begleitung und Assistenz von Kindern, Jugendlichen und Familien und machen uns gemeinsam auf den Weg.
Klare Alltagsstrukturen, geliebte Rituale, kreative Raumgestaltung in hellen und gemütlichen Häusern, gemeinsame Unternehmungen und Interaktionsübungen, gelebte Partizipation, wie Kinderkonferenzen und Kinderrat, therapeutische Angebote, wie Einzelstunden beim psychologischen Fachdienst oder externen Psychotherapeuten sind wichtige Meilensteine in der Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen unserer heilpädagogischen oder therapeutischen Gruppen. Dank Ihrer Spenden können unsere Gruppen nicht nur gut ausgestattet, sondern auch durch Praktikanten und zusätzliche Therapieangebote bereichert werden.
Birgitt Mederer
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